von
Nathalie Boyke
 
13.07.2021

Dietmar Reindl im Interview: IMMOFINANZ wagt den Schritt nach Italien

Laut COO Dietmar Reindl ist die Tatsache, dass in Italien noch keine effizienten und qualitativen  Fachmarktzentren entwickelt wurden, der Grund für  für den Markteintritt in Italien mit der Marke STOP SHOP.

Interview mit Dietmar Reindl, COO IMMOFINANZ zuerst erschienen im ACROSS 2021

 

ACROSS: Die IMMOFINANZ hat vor kurzem bekannt gegeben, jetzt auch in Italien im Retail-Segment durchstarten zu wollen. Wie sehen Ihre Pläne aus?

DIETMAR REINDL: Wir haben im Sommer den Markteintritt in Italien vollzogen und einen voll vermieteten und neu errichteten Retail Park in der norditalienischen Stadt San Fiore erworben. Mit diesem STOP SHOP San Fiore sind wir jetzt bereits in zehn europäischen Ländern mit unserer erfolgreichen Retail Park Marke präsent. Insgesamt halten wir damit bereits bei rund 110 Standorten und haben auf Sicht der letzten Jahre ein kräftiges und ertragreiches Wachstum hingelegt und uns klar als führender Retail Park Betreiber in Europa positioniert. Unser nächstes Ziel sind 140 Standorte.

 

ACROSS: Der Großteil der STOP SHOP-Immobilien befindet sich derzeit in Ost- und Südosteuropa. Warum jetzt Italien?

REINDL: Wir beschäftigen uns bereits seit rund zwei Jahren mit dem italienischen Markt und haben diesen sehr genau analysiert. Italien ist die perfekte Ergänzung und ein weiterer künftiger Wachstumstreiber für unsere europäische Retail-Plattform. In Italien ist der klassische Retail Park - wie wir ihn kennen und in hoher Qualität und Effizienz anbieten - noch nicht etabliert. So gibt es aktuell in ganz Italien mit seinen rund 60 Millionen Einwohnern lediglich an die 230 Fachmarktzentren mit einer Fläche von 3,2 Millionen Quadratmeter. Ein Großteil davon sind dabei „Big Box“-Agglomerationen ohne strukturiertes Management.  Zum Vergleich: In Österreich mit 9 Millionen Einwohnern halten wir bei an die 300 Fachmarktzentren mit 5,8 Millionen Quadratmeter. Dazu kommt, dass die Retail Parks in Italien stark hinsichtlich Größe und Einzugsgebiet variieren. Viele wurden zudem ursprünglich von lokalen Developern mit Fokus auf einen möglichst einfachen und schnellen Entwicklungsprozess errichtet und weniger mit Blick auf die Anforderungen und Wünsche der Einzelhändler und deren Kunden. Auch mangelt es an einer „Retail Park“-Identität und gerade diese haben wir mit unserer hochstandardisierten, europaweiten STOP SHOP-Marke geschaffen.

 

ACROSS: Italien ist also eine Art Nachzügler beim europaweiten Trend in Richtung Retail Park?

REINDL: Das kann man durchaus so sehen. Und gerade das bietet sehr viel Potenzial. Retail Parks mit Nahversorgungscharakter, sehr guter Verkehrsanbindung und abwechslungsreichem Mietermix gewinnen auch in Italien an Bedeutung. Das zeigt zudem die Nachfrage unserer internationalen Mieter – und die Krisenresistenz dieses Formats in der Pandemie hat das nochmals bestärkt. Wie auch in anderen Märkten drängen nicht nur Discounter, sondern auch andere Einzelhändler immer stärker in Retail Parks. Service- und Unterhaltungsangebote gewinnen an Bedeutung, Frequenz und durchschnittliche Verweildauer steigen.

 

ACROSS: Sehen Sie das weitere Wachstum in Italien dann vor allem über Projektentwicklungen oder über Zukäufe bestehender Immobilien? Wie viele Standorte wollen Sie mittelfristig in Italien haben?

REINDL: Ich rechne mit einem Mix aus beidem, wir treffen dazu bereits Vorbereitungen, wobei wir uns auf die kaufkraftstärkere norditalienische Region konzentrieren. Auf Sicht der nächsten drei bis fünf Jahre wären rund 10 bis 15 STOP SHOP-Standorte in Italien die ideale Ergänzung für uns und unsere Mieter.

 

ACROSS: Geben Sie uns bitte noch kurz einen Überblick über den jüngsten Zukauf in San Fiore.

REINDL: Der Retail Park hat eine vermietbare Fläche von rund 27.000 m² und ist voll vermietet. Er befindet sich 37 Kilometer nördlich von Treviso bzw. 60 Kilometer nördlich von Venedig, mitten in der Region Venetien. Das Einzugsgebiet umfasst im Umkreis von 30 Autominuten knapp 100.000 Menschen. Die Region Venetien gehört zu den wirtschafts- und einkommensstärksten Regionen Italiens mit einer Kaufkraft deutlich über dem Schnitt des Landes und auch über dem der gesamten EU.

Die Immobilie mit rund 1500 Parkplätzen liegt sehr verkehrsgünstig an der italienischen Staatsstraße SS 13 Pontebbana, die von Venedig über Udine bis nach Österreich führt. Der Retail Park wurde in zwei Phasen in 2017 und 2019 fertiggestellt und bietet einen sehr attraktiven Mietermix mit internationalen Retailern wie C&A, Takko, MediaWorld, Decathlon, Roadhouse Grill und Burger King sowie bekannten italienischen Marken.

Was mich besonders freut: Der Retail Park hat auch ein Sustainability-Highlight, so speist eine Photovoltaik-Anlage nachhaltig erzeugten Strom in das öffentliche Netz ein. Das passt sehr gut in unsere Nachhaltigkeitsstrategie, denn wir haben bereits im Jahr 2019 mit der Installation von Photovoltaikanlagen auf unseren STOP SHOPs begonnen. Aktuell erfolgt die möglichst flächendeckende Installation auf den österreichischen Retail Parks.

 

ACROSS: Stichwort Nachhaltigkeit: Welche Bedeutung hat diese in der Portfoliostrategie?

REINDL: Als Bestandshalter ist unser Geschäftsmodell langfristig ausgerichtet und damit ist Nachhaltigkeit Teil der DNA der IMMOFINANZ. Wir beschäftigen uns in unserer Portfoliostrategie seit Jahren intensiv mit nachhaltigen Trends. Unsere flexible Premium-Büromarke myhive ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass wir dabei Trends auch vorwegnehmen. Mehr Flexibilität, Community und Vernetzung sowie nachhaltigere Ausstattung, etwa durch die Verwendung standardisierter Fit-outs – das ist gefragt. Wir haben im zurückliegenden Geschäftsjahr auch erneut den Anteil unserer Immobilien mit Nachhaltigkeitszertifikaten ausgebaut und mit den Zertifizierungen für unsere Retail Parks begonnen. Der STOP SHOP in der serbischen Stadt Lazarevac hat ein BREEAM-In-Use-Nachhaltigkeitszertifikat erhalten – weitere werden folgen. Neben der Installation von Photovoltaik-Anlagen wollen wir auch den Ausbau des Mobilitätsangebots an unseren Standorten forcieren. So wurden im Vorjahr etwa alle STOP SHOP Standorte in Ungarn mit Elektroauto-Ladestationen ausgestattet, im Dezember startete der Roll-out bei unseren Retail Parks in Tschechien. Auch haben wir mit der Umsetzung von Brauchwassernutzungsanlagen bei unseren Retail-Immobilien begonnen und mit einem Pilotprojekt für Urban Forest, also der Schaffung eines kleinen Stadtwaldes. In unseren VIVO! Einkaufszentren setzen wir darüber hinaus noch viele weitere Maßnahmen, auch unter Einbindung der jeweiligen Communities, wie etwa gemeinsam mit der Initiative „Clean up Lublin“ für unser VIVO! Lublin.

 

ACROSS: Die Corona-Krise scheint grossteils hinter uns zu liegen. Was waren für Sie die wichtigsten Learnings im Retail?

REINDL: In einer Krise sind Kapitalstärke, Liquidität und die Nähe zum Kunden besonders wichtig. All das haben wir und konnten deshalb schnell und flexibel handeln. Und unsere Strategie mit dem Fokus auf kosteneffiziente Retail-Formate mit Nahversorger-Charakter hat sich bewährt. Wir haben in den vergangenen Jahren unsere Retail-Immobilien bevorzugt in mittelgroßen Städten Zentral- und Osteuropas, sogenannten Zweit- und Drittstädten, errichtet, in denen es freie Marktkapazitäten und auch keine Abhängigkeit vom Tourismus gab. Und natürlich kommt uns insgesamt auch sehr zugute, dass wir stets auf enge Partnerschaften mit unseren Mietern gesetzt haben. Für einige der Retailer sind wir – gemessen an der Anzahl der Verträge – der größte Vermieter. Wir haben mit ihnen rasch Lösungen gefunden und gemeinsam haben wir jetzt wieder den Vorwärtsgang für die weitere Expansion eingelegt.

 

ACROSS: Abseits von Italien, in welchen Ländern planen Sie weiter mit STOP SHOP auf die zuvor genannten rund 140 Standorte zu wachsen?

REINDL: Aktuell haben wir bereits weitere Ankäufe und Eigenentwicklungen in mehreren Ländern, etwa in Polen, in Bearbeitung. Die Adriatic-Region u. a. mit Kroatien gefällt uns ebenfalls, dort haben wir uns bereits Grundstücke für Retail Parks gesichert.

 

ACROSS: Noch ein kurzer Ausblick: Welche Trends sehen Sie im Retail Park Bereich?

REINDL: Retail Parks mit Nahversorgungscharakter, sehr guter Verkehrsanbindung und abwechslungsreichem Mietermix sind zur Zeit der klare Gewinner und werden künftig noch stärker bei Mietern und Kunden nachgefragt sein. Nichtsdestotrotz leben wir in einer sich schnell verändernden Welt, in der digitale Kanäle eine immer wichtigere Rolle spielen. Aus diesem Grund haben wir ein Pilotprojekt gestartet, um einen Kanal für die digitale Kundenkommunikation zu etablieren. Wir nennen die neue App "STOP SHOP Wallet", die es Kunden ermöglicht, direkt auf ihrem Handy Zugang zu Sonderaktionen ihrer Lieblingsmarken zu erhalten. Natürlich kommt dieses Tool auch unseren Mietern als digitales Verkaufs- und Marketinginstrument zugute. Die Verbraucher sind online unterwegs und wir müssen sie dort treffen, wo sie sind.

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