von
Bettina Schragl
 
30.04.2021

"Gut positioniert im Krisenumfeld und für die Zeit danach"

Ein Interview mit dem Vorstand der IMMOFINANZ, Ronny Pecik, Dietmar Reindl und Stefan Schönauer, über das Jahr 2020, den Trendbeschleuniger Covid-19, krisenresistente Immobilienlösungen und weitere Wachstumspläne.

Die IMMOFINANZ ist gut ins Jahr 2020 gestartet, ab Mitte März hatte aber die Covid-19-Pandemie auch Europa fest im Griff. Wie haben Sie gegengesteuert und auf das veränderte Umfeld reagiert?

Ronny Pecik: In einer Krise sind Kapitalstärke, Liquidität und die Nähe zum Kunden besonders wichtig. All das haben wir und konnten deshalb schnell und flexibel handeln und das Jahr daher aus einer Position der Stärke abschließen. Die Pandemie und die damit verbundenen Unterstützungen für unsere Mieter bzw. krisenbedingt negative Effekte aus der Immobilienbewertung spiegeln sich zwar in unserem Konzernergebnis wider. Unser Vermietungsgrad ist mit 96% allerdings unverändert auf sehr hohem Niveau, unser FFO 1 als Gradmesser für die operative Ertragskraft ist sogar leicht gestiegen, und wir verfügen zum Jahresende über liquide Mittel von mehr als einer Milliarde Euro. Das ist eine starke Basis – sowohl mit Blick auf das noch anhaltende Krisenumfeld als auch auf die Erholungs- und Wachstumsphase danach.

Dietmar Reindl: Genau jene Stärken, die uns in den letzten Jahren zu einem führenden Anbieter von Büro- und Retail-Immobilien in unserer Region gemacht haben, helfen uns, diese Krise zu meistern: unser Fokus auf qualitative und innovative Bürolösungen sowie auf kosteneffiziente und damit krisenresistente Retail-Konzepte, unsere Kundennähe, der Einsatz unserer Mitarbeiter sowie unsere konservative Finanzierungspolitik. Hinzu kommt: Die IMMOFINANZ ist krisenerprobt. Wir wissen daher, dass die rasche und aktive Kommunikation mit sämtlichen Stakeholdern einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist. Mit unseren Retail-Mietern, die von den temporären Schließungen zur Pandemieeindämmung besonders betroffen waren, haben wir rasch individuelle Lösungen erarbeitet, um ihnen die Bewältigung der Krise zu erleichtern. Im Austausch für temporäre Mietnachlässe und Stundungen wurden u. a. Mietvertragsverlängerungen für rund 440.000 m² vereinbart. Das entspricht rund 45% unserer gesamten Retail-Fläche.

Stefan Schönauer: Auch mit unseren finanzierenden Banken und Investoren waren und sind wir in regelmäßigem Austausch. Kostenseitig haben wir unmittelbar mit Beginn der Krise zahlreiche Maßnahmen eingeleitet, um die negativen Auswirkungen auf das Unternehmen so gering wie möglich zu halten. Das inkludierte u. a. die Verschiebung nicht zeitkritischer Investitionen, Einsparungen und Steuerstundungen. Auf Jahressicht hat sich das auf rund EUR 24 Mio. summiert. Zur Stärkung der Konzernliquidität schlossen wir Ende März eine wiederholt ausnutzbare Kreditlinie über EUR 100 Mio. ab, die wir bis dato nicht beansprucht haben. Und auf der Kapitalseite haben wir ebenfalls rasch und vorausschauend gehandelt und unser Eigenkapital und die für unser Investment-Grade-Rating relevanten Kennzahlen durch Kapitalmaßnahmen im Juli weiter gestärkt. Der Bruttoemissionserlös aus der Platzierung von Aktien und der Emission einer Pflichtwandelanleihe im Juli belief sich auf EUR 356,0 Mio. Im Oktober emittierten wir zudem eine Benchmark-Anleihe über EUR 500 Mio. Mit einer Eigenkapitalquote von rund 45%, einem Netto-Loan-to-Value von 37,8% und einer Liquidität von rund einer Milliarde Euro ist der Konzern somit sehr gut aufgestellt.

 

Wie haben die einzelnen Immobilienmarken performt? Waren hier Anpassungen notwendig?

Reindl: Unsere Immobilienmarken sind sowohl im Krisenumfeld als auch für die Post-Pandemie-Zeit gut positioniert. Denn die Krise hat vor allem bestehende Trends beschleunigt: Im Bürobereich brachte sie einen Digitalisierungsschub, da viele Mitarbeiter über Nacht ins Homeoffice wechseln mussten. Das wird definitiv nicht so bleiben, vielfach hören wir von unseren Mietern, dass die Mitarbeiter zurück ins Büro drängen. Es zeigt sich einmal mehr, dass der soziale Aspekt und die persönliche Interaktion gerade für Innovation und Produktivität in Unternehmen entscheidend sind. Deshalb wird es unverändert Bedarf an qualitativen Büroflächen mit Mehrwert geben – allerdings mit einem höheren Wunsch nach Flexibilität. Dafür haben wir mit unseren flexiblen myhive-Office-Produkten genau das richtige Angebot. Mieter bezahlen nur das, was sie an Fläche benötigen, und können ihren Bedarf kurzfristig anpassen – und das in einem hochwertigen Büroumfeld mit bestem Service, Infrastruktur und Wohlfühlambiente.

Im Retail-Bereich wiederum sind durch die temporären Schließungen zwar so gut wie alle Branchen betroffen, Diskontanbieter schneiden allerdings deutlich besser ab, denn sie profitieren vom steigenden Preisbewusstsein der Kunden. Das sehen wir auch in unserem Portfolio, das auf kosteneffiziente Retail-Formate setzt. Hinzu kommt, dass wir unsere Retail-Immobilien in den vergangenen Jahren bevorzugt in mittelgroßen Städten Zentral- und Osteuropas, sogenannten Zweit- und Drittstädten, errichtet haben, in denen es freie Marktkapazitäten gab. Diese Strategie hat sich bewährt, denn für die Grundversorgung ist unser Angebot dort unverzichtbar, speziell unsere STOP SHOPs, die sich als sehr krisenresistent erweisen.

 

Wie sieht es mit den Besucherzahlen im Retail aus?

Reindl: Neben umfangreichen Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen für unsere Immobilien haben wir auch unsere Marketingkampagnen angepasst, um so eine möglichst schnelle Erholung von Frequenz und Händlerumsätzen zu ermöglichen. In unseren STOP SHOPs ist die Besucherzahl unter Einbeziehung sämtlicher Schließungstage um 17% zurückgegangen. Die Umsätze der Händler sind allerdings nur um 7% gesunken, was auf einen höheren Umsatz je Einkauf hinweist, und bereinigt um die Lockdown-Zeiten sind sie sogar um 1% gestiegen. Sprich: Wenn die Geschäfte offen sind, funktioniert es bestens.

Insgesamt kommt uns auch sehr zugute, dass wir in der Vergangenheit stets auf enge Partnerschaften mit unseren Mietern gesetzt haben. Für einige der Retailer sind wir – gemessen an der Anzahl der Verträge – der größte Vermieter. Wir haben mit ihnen noch während der ersten Lockdown-Phase im Vorjahr rasch Lösungen gefunden, und das hilft beiden Seiten jetzt auch bei der Bewältigung weiterer Schließungsphasen.

 

Gegen Jahresende haben Sie im Retail Park-Bereich auch bereits wieder Zukäufe gemeldet. Wie soll sich das Portfolio weiterentwickeln?

Pecik: Für uns war bei all den gesetzten Maßnahmen immer wichtig, dass die IMMOFINANZ in der Krise aus einer Position der Stärke handeln und so rasch wie möglich wieder einen profitablen Wachstumskurs einschlagen kann. So haben wir kurz vor Jahresende das Portfolio um acht Retail Park-Standorte erweitert und halten zum Jahresende – Projektentwicklungen mit eingerechnet – bereits bei 101 Standorten mit einem Portfoliowert von über einer Milliarde EUR. Damit sind wir in Europa klar die Nummer eins und wollen in den nächsten Jahren auf 140 Standorte wachsen. Dabei wird ein Schwerpunkt auch auf der attraktiven Adria-Region liegen. Im Bürobereich planen wir, mit myhive in den Hauptstädten unserer Länder zu expandieren. Neben einigen Refurbishments bestehender Office-Gebäude, etwa in Budapest und Bukarest, haben wir im 1. Quartal 2021 bereits eine Akquisition in Bukarest vorgenommen. Dabei handelt es sich um das ehemalige Headquarter der Erste Group-Tochter Banca Comercială Română (BCR) in Top-Lage, das wir in eine moderne und „grüne“ Immobilie umbauen werden.

Daneben werden wir auch weiterhin selektiv Verkäufe tätigen. Auch da hat uns die Pandemie nicht gebremst. So haben wir im Jahr 2020 Immobilien im Volumen von rund EUR 110 Mio. verkauft. Der größte Deal war das Düsseldorfer Bürohaus Panta Rhei. Die Vermarktung dafür wurde bereits vor der Pandemie gestartet und konnte ohne negative Auswirkungen abgeschlossen werden. Der erzielte Preis hat uns sehr gefreut und spiegelt sich auch in unserem deutlich verbesserten Ergebnis aus Immobilienverkäufen wider. Darüber hinaus waren zum Jahresende für Immobilien im Wert von EUR 163 Mio. bereits Verkaufsverträge unterschrieben, für die das Closing aber noch nicht erfolgt ist.

 

Damit sind wir schon bei den Finanzzahlen: Was waren denn hier die Haupttreiber?

Schönauer: Bei den Mieterlösen konnten wir dank des in der zweiten Jahreshälfte 2019 erfolgten Portfoliowachstums erneut zulegen. Die Folgen der Pandemie sehen wir im Bestandsgeschäft vor allem im deutlichen Anstieg der Forderungsabschreibungen aus dem Asset Management auf EUR 29,2 Mio. Damit haben wir gleichsam unsere Mieter unterstützt. Erfreulich ist, dass wir das Ergebnis aus Asset Management dank Einsparungen dennoch auf Vorjahresniveau halten konnten. Die Pandemie wirkte sich auch negativ auf die Bewertung des Immobilienvermögens aus. Insgesamt belaufen sich die Neubewertungen auf EUR -166,5 Mio., nachdem der Wert im Jahr davor deutlich positiv war. Diese Abwertung entspricht rund 3,2% des gesamten Immobilienportfolios. Infolge des anhaltenden Kursrückgangs der S IMMO-Aktie im Jahr 2020 wurde der Buchwert der Beteiligung zudem um EUR 88,6 Mio. auf EUR 363,6 Mio. abgewertet. Hier werden wir durch die gute Kursentwicklung im 1. Quartal 2021 allerdings wieder einen positiven Effekt sehen. Das Konzernergebnis für 2020 beläuft sich per Saldo auf EUR -165,9 Mio.

Sehr gut entwickelt hat sich der FFO 1 vor Steuern, in dem keine Bewertungseffekte enthalten sind und der die operative Ertragskraft unseres Geschäfts darstellt: Hier konnten wir im Krisenjahr 2020 sogar eine leichte Steigerung auf EUR 126,1 Mio. erzielen.

 

Für einen Immobilienkonzern sind die Finanzierungskosten üblicherweise der größte Kostenblock. Wie haben sich diese und das Fälligkeitenprofil entwickelt?

Schönauer: Wir waren hier sehr erfolgreich unterwegs und haben Finanzierungen mit einem Volumen von rund EUR 925 Mio. abgeschlossen. Das entspricht 29% der gesamten Finanzverbindlichkeiten des Konzerns per Ende Dezember und betrifft sowohl Verlängerungen als auch Neufinanzierungen. Trotz eines um insgesamt 12% gestiegenen Finanzierungsvolumens konnte der Finanzierungsaufwand dabei mit EUR 64,0 Mio. leicht unter das Vorjahresniveau gesenkt werden. Die durchschnittlichen Finanzierungskosten inklusive Hedging betragen 1,99% p. a., und auch unser Fälligkeitenprofil wurde weiter verbessert und gestreckt. Die durchschnittliche Laufzeit der Finanzverbindlichkeiten ist damit auf 4,3 Jahre gestiegen. Und wir stehen bereits in Gesprächen mit Banken für vorzeitige Verlängerungen von auslaufenden Finanzierungen, speziell für das Geschäftsjahr 2022, um unser Fälligkeitenprofil noch weiter zu verbessern.

 

 

Das Konzernergebnis ist vor allem aufgrund der krisenbedingten Bewertungseffekte negativ, insgesamt steht die IMMOFINANZ aber sehr solide da, wie auch die Entwicklung des FFO 1 zeigt. Was bedeutet das für die Dividende?

Pecik: Wir werden der Hauptversammlung für 2020 eine Dividende in Höhe von EUR 0,55 je Aktie vorschlagen. Die IMMOFINANZ ist als nachhaltiger Dividendenzahler aufgestellt. Im Vorjahr haben wir – um die Kapitalstärke der Gesellschaft angesichts der Pandemie aufrechtzuerhalten – vorgeschlagen, für das Geschäftsjahr 2019 keine Dividende auszuschütten, und die Aktionäre haben dem in der Hauptversammlung zugestimmt. Wir sagten aber immer, dass das keine Abkehr von der grundsätzlich verfolgten kontinuierlichen Dividendenpolitik darstellen soll. Und das halten wir jetzt ein.

 

Wir haben nun sehr viel über Finanzkennzahlen gesprochen, aber gerade 2020 hat gezeigt, dass der nichtfinanzielle Bereich, also die sogenannten Environmental-, Social- und Governance-Themen stark an Bedeutung gewinnen – und zwar für alle Stakeholder. Wie handhaben Sie das?

Reindl: Wir sind uns unserer Verantwortung in diesem Bereich bewusst und beschäftigen uns in unserer Portfoliostrategie seit Jahren intensiv mit nachhaltigen Trends. Unsere flexible Premium-Büromarke myhive ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass wir dabei Trends auch vorwegnehmen. Mehr Flexibilität, Community und Vernetzung sowie nachhaltigere Ausstattung, etwa durch die Verwendung standardisierter Fit-outs – das ist gefragt. Wir haben im zurückliegenden Geschäftsjahr auch erneut den Anteil unserer Immobilien mit Nachhaltigkeitszertifikaten ausgebaut und mit den Zertifizierungen für unsere Retail Parks begonnen. Der STOP SHOP in der serbischen Stadt Lazarevac hat ein BREEAM-In-Use-Nachhaltigkeitszertifikat erhalten – weitere werden folgen. Auch wollen wir die Installation von Photovoltaik-Anlagen auf unseren STOP SHOPs forcieren, ebenso wie den Ausbau des Mobilitätsangebots an unseren Standorten. So wurden im Vorjahr etwa alle STOP SHOP Standorte in Ungarn mit Elektroauto-Ladestationen ausgestattet, im Dezember startete der Roll-out bei unseren Retail Parks in Tschechien.

 

Insgesamt hat die Immobilienbranche natürlich großes Potenzial, zum Klimaschutz beizutragen. Daher haben wir auch an unserer Strategie zur langfristigen Erreichung der Klimaneutralität und zur Steigerung der Ressourceneffizienz für unser Portfolio gearbeitet. Die Details der Strategie mit genauen und auch sehr ambitionierten Zielen werden wir bis zum Sommer 2021 vorstellen. Ebenso sind die Vorbereitungen für die Umsetzung der EU-Taxonomie-Verordnung angelaufen. Diese Verordnung wird generell zur Folge haben, dass der Fokus künftig stark auf Immobilien und Aktivitäten liegt, die gemäß dieser Taxonomie „nachhaltig“ sind. Wir sehen das durchaus als Chance, etwa im Hinblick auf Mieterzufriedenheit, Finanzierungen, Positionierung auf dem Kapitalmarkt und natürlich unseren Beitrag zum Klimaschutz.

 

Nachdem die IMMOFINANZ im Geschäftsjahr 2020 den Fokus auf die Stärkung des Konzerns während der Pandemie gelegt hat, haben Sie Ende des 1. Quartals 2021 ein Übernahmeoffert für die S IMMO angekündigt. Was sind die Überlegungen dahinter?

 

Schönauer: Wir halten bereits seit 2018 eine wesentliche Beteiligung an der S IMMO, und diese ist wiederum an der IMMOFINANZ beteiligt. Wir haben stets betont, dass eine Zusammenführung beider Unternehmen zu einer Verbesserung der Marktposition und zur Realisierung von Synergiepotenzialen führen würde. Im Geschäftsjahr 2020 lag der Fokus auf der Krisenbewältigung, jetzt ist durch eine steigende Verteilung von Impfstoffen in Europa und eine absehbare Bewältigung der Pandemie unsere Ausrichtung wieder auf wertschaffendes Wachstum konzentriert, und wir sind dafür sehr gut positioniert. Das Übernahmeangebot ist allerdings von mehreren Bedingungen abhängig, darunter die Zustimmung der S IMMO-Aktionäre zum Wegfall der Stimmrechtsbeschränkung sowie grünes Licht der Kartellbehörden. Insgesamt werden wir den S IMMO-Aktionären ein sehr attraktives Angebot gemacht.

 

Das Interview erschien in unserem Geschäftsbericht 2020, den Sie hier downloaden können: https://immofinanz.com/de/investor-relations/finanzberichte

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