von
Reinhard Winiwarter
 
20.04.2020

Dietmar Reindl: "Die Zusammenarbeit zwischen Mieter und Vermieter ist unerlässlich"

Als Sofortmaßnahme hat Immofinanz nach Angaben von COO Dietmar Reindl die Mietzahlungen der von der Schließung betroffenen Einzelhändler für April gestundet und auf September verschoben.

Dieser Artikel erschien am 20. April 2020 im Across Magazin. Autor ist Reinhard Winiwarter, Publisher & Managing Partner bei ACROSS Magazine.

ACROSS: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden auch nach der Wiedereröffnung der Geschäfte für die europäische Handels- und Placemakingindustrie langfristig sein. Viele Stimmen sagen, dass gerade in Krisenzeiten die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Vermieter und Mieter das Gebot der Stunde ist. Teilen Sie diesen Ansatz?

DIETMAR REINDL: Das ist das Um und Auf – ohne verstärkte Zusammenarbeit und gemeinsame Lösungen geht es nicht. Wir als Vermieter und unsere Mieter sitzen im selben Boot. Natürlich ist es nicht immer leicht, einen Konsens zu finden. Das wird auch von teils sehr differierenden und komplexen Gesetzgebungen in den einzelnen Ländern nicht erleichtert.

Wir können die Argumente des Mieters nachvollziehen, wonach er sein Geld in Ware und Logistik geparkt hat, Personal bezahlen muss und gleichzeitig aufgrund der gesetzlichen Beschränkungen keinen Umsatz machen kann. Aber es kann auch nicht sein, dass der Vermieter sämtliche Kosten zu tragen hat. Dass wäre unsachgemäß und von Vermieterseite nicht zu bewerkstelligen.

Das Um und Auf ist daher die Zusammenarbeit zwischen Vermieter und Mieter – und ich gehe davon aus, dass sich diese durch die Corona-Krise nochmals verstärken wird. Schön wäre, wenn am Ende ein noch offenerer Dialog, auch über Zahlen und KPIs, herauskommt, also dass man über Umsätze und warenwirtschaftliche Themen noch offener miteinander reden kann.

ACROSS: Welche unmittelbaren, konkreten Maßnahmen hat die Immofinanz AG zur Krisenbewältigung unternommen? Waren Sie auf eine derartige Situation überhaupt vorbereitet?

REINDL: Wir haben hier im Vergleich zu etlichen anderen Unternehmen tatsächlich bereits viel Erfahrung im Umgang mit solchen Krisensituationen in der Vergangenheit gesammelt, etwa im Zuge der Finanz- und der Russland-Krise. Wir sind dank eines erfahrenen und eingespielten Teams sehr gut aufgestellt und können rasch handeln, etwa auf standardisierte Vorgehensweisen für Mietstundungen und systemunterstützte Prozesse zurückgreifen.

Als Sofortmaßnahme haben wir den von Schließungen betroffenen Händlern zunächst die Mieten für April gestundet und auf September verschoben, um genügend Zeit zu haben, mit allen im Detail zu sprechen und damit auch den Druck rauszunehmen. Und wir haben auch unmittelbar Kostensenkungsmaßnahmen gestartet, das inkludiert etwa die Verschiebung nicht-zeitkritischer Investitionen sowie die Senkung von Allgemeinkosten.

ACROSS: Welche Erfahrungen haben Sie in den letzten Wochen mit Ihren Mietern gemacht? Wie haben Sie darauf reagiert?

REINDL: Wir stehen mit unseren Mietern in einem intensiven Austausch und zeigen Verständnis für ihre Situation. Aber unser Verhältnis ist auch von gegenseitigen vertraglichen Verpflichtungen bestimmt, denen beide Seiten nachkommen müssen. Auch wir müssen Mitarbeiter und Zinsen für unsere Kredite bezahlen. Daher kann es nur einen gemeinsamen Weg geben.       

ACROSS: Gibt es regionale / länderspezifische Unterschiede, was die Auswirkungen der Krise betrifft?

REINDL: Ja, die gibt es sehr wohl. Wir sind ja insgesamt in zehn Ländern mit unseren Retail-Immobilien vertreten und daher auch mit den unterschiedlichen Gesetzgebungen, die sich teils auch rasch ändern, konfrontiert. Das ergibt dann schon eine recht große Matrix mit unzähligen Variablen.

Einzig gleich ist, dass die Geschäfte der Grundversorgung in sämtlichen Ländern offenhalten durften. Das hat zur Folge, dass mit Mitte April ca. ein Drittel unserer vermietbaren Einzelhandelsfläche geöffnet sind. Ansonsten gibt es aber in sämtlichen Staaten unterschiedliche Herangehensweisen, etwa wer überhaupt betroffen ist, wer in welchem Ausmaß unterstützt wird, etc. Unsere Mieter wiederum beziehen sich auf die jeweilige Landesgesetzgebung, unterschiedliche Laufzeiten der Restriktionen und Verträge.

Ich verstehe, dass die einzelnen Staaten sehr schnell handeln wollten und mussten. Dennoch wäre es wünschenswert, wenn es seitens der EU hier mehr Unterstützung hinsichtlich einheitlicher Vorgehensweise geben würde.  

ACROSS: Nach den gemachten Erfahrungen der letzten Wochen: Wie krisensicher sind Ihrer Meinung nach Fachmärkte; im Vergleich z.B. zu Einkaufszentren oder auch zu Innenstadtlagen?

REINDL: Fachmarktzentren haben definitiv einen USP. Das „one stop shopping“ mit direktem Zutritt in den Shop vom Parkplatz und weniger Berührungspunkten zu den Mitmenschen wird in der Phase nach Corona sicher für viele Menschen eine wichtigere Rolle spielen. Man kommt aus der Privatsphäre des eigenen Autos direkt in das Geschäft. Ein weiterer wichtiger Punkt sind auch die niedrigen Miet- und Betriebskosten für die Händler. Insgesamt erwarte ich, dass die Besucherfrequenz und die Umsätze in den Fachmarktzentren nach der Krise wieder schneller nach oben gehen.

Einkaufszentren sind ähnlich zu Versammlungsorten zu sehen. Hier werden die Leute in der ersten Phase wohl wieder primär wegen des Einkaufens kommen und Entertainment-Aktivitäten, bei denen viele Menschen zusammenkommen, wohl noch vorsichtiger sehen. Aber auch hier hilft der Fokus auf erschwingliche Produkte, die in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten immer nachgefragt werden.

ACROSS: Wenn man über partnerschaftliche Krisenbewältigung redet: Wer sollte Ihrer Meinung nach in solche Partnermodelle mit einbezogen werden; und warum?

REINDL: Interessensvertretungen und Verbände, wie etwa Shopping Center und Handelsverbände oder Vereinigungen von Immobilienentwicklern. In der Slowakei haben wir etwa eine Initiative gemeinsam mit CBRE gestartet, in Polen haben wir uns mit anderen Landlords zusammengeschlossen, um gegen die einseitigen Gesetzespläne der Regierung vorzugehen. Etwas selbstkritisch muss ich allerdings schon sagen, dass die Branche noch nicht wirklich eine starke und vor allem länderübergreifende Lobby geschaffen hat.

ACROSS: Welche Rolle kann/soll nach den Erfahrungen der letzten Wochen der Staat übernehmen? Bedarf es mehr „übergeordneten Regeln“; Stichwort „Code of Conduct“

REINDL: Ich habe vorhin schon die stark unterschiedliche Gesetzgebung und Handhabung in den einzelnen Staaten erwähnt. Hier wäre ein einheitlicheres Vorgehen mit Hilfe der EU sicher hilfreich. Verhaltensregeln, ob von der Branche oder vom Staat angeregt, an denen sich Mieter und Vermieter orientieren können, sind sicher hilfreich.  Zum Beispiel hinsichtlich Räumungsmoratorien oder dass Mieter, die nicht wesentlich von den Auswirkungen der Krise betroffen sind, ihre Mietverträge einhalten. Solche Verhaltensregeln können helfen, einheitliche und partnerschaftliche Lösungen für beide Parteien umzusetzen. Aber ein bestimmtes Verhalten erzwingen können sie nicht.  

ACROSS: Stärkt die Krise den Online-Bereich?

REINDL: Aktuell sind eher keine Zuwächse im Online-Bereich zu verzeichnen, das sagen auch große Retailer. In der aktuellen Phase der Unsicherheit ist die Konsumzurückhaltung der Menschen doch noch hoch. Wird der Online-Handel nach der Krise etwas stärker wachsen als ursprünglich prognostiziert? Kann schon sein, dass es zu einer weiteren Verschiebung im Prozentbereich kommt. Aber wenn der Virus einigermaßen unter Kontrolle ist, wollen sich die Menschen wieder sozialisieren und gemeinsam ausgehen und Spaß haben. Das gilt vor allem für die Zeit, sobald es Medikamente und Impfstoffe gibt. Auch muss man bedenken, dass der Online-Handel doch schnell an seine Grenzen kommen wird – nicht nur hinsichtlich der Transportkosten im Vergleich zu den Produktkosten, sondern auch hinsichtlich Flexibilität der Zustellung und Qualität.  

ACROSS: Sehen Sie langfristige Auswirkungen/Veränderungen auf das Konsumverhalten. Wenn ja, welche und warum? Gibt es dadurch Auswirkungen auf den Branchenmix Ihrer Fachmarktzentren?

REINDL: Das wird davon abhängen, wie lange diese Krise dauern wird. Konsumorientierte Produkte in Fachmarktzentren und der Grundversorgung werden immer nachgefragt werden. Was den Branchenmix angeht, so kann es natürlich sein, dass wir den einen oder anderen Retailer verlieren. Das sollte aber in einem Jahr wieder anders aussehen. Bisher hatten wir bei uns im Portfolio mit mehr als 2.000 Mietverträgen erst eine Insolvenz und das betraf eine sehr geringe m²-Anzahl.

ACROSS: Ihre persönlichen Learnings aus den letzten Wochen?

REINDL: Was sich mich sehr freut ist - und da bin ich sehr dankbar-, dass unsere Mitarbeiter in den Länderbüros und in der Zentrale in Wien auch in der Krisensituation fachlich kompetent agieren und hochmotiviert gemeinsam mit unseren Kunden an der Bewältigung der Krise arbeiten. Darüber hinaus haben wir in den letzten Jahren in Technologien investiert, die uns einen täglichen Überblick über die Performance unserer Immobilien in zehn Ländern geben. Das ermöglicht fundierte und rasche Entscheidungen. 

Überraschend und erschreckend war, wie fragil sich unsere Wirtschaft nach einem Shut Down von nur ein bis zwei Wochen präsentiert hat. Das könnte in der Analyse einiges an Umdenken über Warenkreisläufe bis hin zu einer stärkeren Regionalität in der Versorgung nach sich ziehen.  

Sicher ist, dass das Thema Digitalisierung einen weiteren starken Schub bekommen wird und digitale Lösungen rascher als bisher im beruflichen und privaten Alltag Einzug halten werden.

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